CUP - Krebserkrankung mit unbekanntem Primärtumor

= Cancer of Unknown Primary, CUP-Syndrom

Seit mehr als 25 Jahren beschäftigt sich Dr. Hübner intensiv mit dieser Sonderform einer Krebserkrankung. Er hat die  Arbeitsgruppe CUP-Syndrom in der Deutschen Krebsgesellschaft gegründet und ist deren Sprecher. Er hat die erste wissenschaftliche Therapiestudie zur Behandlung bei CUP in Deutschland ebenso entwickelt und geleitet wie die Folgeuntersuchung. Als Autor zahlreicher Buchkapitel und Zeitschriftenartikel zum Thema CUP ist er ein anerkannter nationaler und internationaler Experte für diese Erkrankung.

Informationen zum CUP-Syndrom:

 

Das CUP-Syndrom (Cancer of Unknown Primary = Krebserkrankung mit unbekanntem Primärtumor) macht etwa zwei bis vier Prozent aller Krebserkrankungen aus. In Deutschland liegt die Erkrankungsrate bei ca 8,4/100.000 Einwohner pro Jahr (2010). Gefunden werden Tumorabsiedlungen (Metastasen), obwohl kein Ursprungstumor im Körper entdeckt werden kann. Typischerweise führen Beschwerden zur Diagnostik und damit zum Auffinden von Metastasen. Manchmal werden die Metastasen jedoch auch nur zufällig entdeckt. Werden Metastasen entdeckt, erfolgt anschließend eine intensive Suche nach dem Primärtumor; also dem Tumor, von dem die Metastasen ausgehen. In manchen Fällen kann es auch sehr schwierig sein, den Primärtumor von einer Metastase zu unterscheiden; beispielsweise bei Lungen- oder Lebermetastasen.

Bei ca. einem Drittel der erkrankten Patienten wird bei der Diagnostik zu Beginn der Erkrankung der Ursprungstumor entdeckt. In der Mehrzahl der Fälle bleibt er aber verborgen – daher der Name ‚Unknown Primary’, also ‚unbekannter’ Ursprung. Im späteren Krankheitsverlauf – nachdem bei den Untersuchungen am Anfang der Erkrankung kein Primärtumor gefunden wird – kann der Ursprungstumor im weiteren Verlauf nur noch sehr selten ausgemacht werden, bei weniger als 10% der Betroffenen! In diesen Fällen führt dann fast nie eine erneute Suche zum Erfolg, sondern der Primärtumor macht sich selbst durch Beschwerden bemerkbar. Es ist daher in den allerwenigsten Fällen sinnvoll, im Verlauf der Erkrankung immer wieder nach dem Primärtumor zu fahnden. Hingegen ist es naheliegend und sehr sinnvoll, Diagnostik- und Behandlungsrichtlinien für die Erkrankung ‚CUP-Syndrom‘ zu entwickeln und zu beachten.

Gemessen an der Häufigkeit der Erkrankung wird das CUP-Syndrom vergleichsweise wenig beforscht. Die Zurückhaltung der Wissenschaftler hat mehrere Gründe: so verstehen viele Menschen auch heute noch das CUP-Syndrom nicht als Diagnose sondern als Fehlen einer Diagnose. Außerdem ist die Erkrankung sehr inhomogen, viele Ausprägungen sind möglich und müssen unterschieden werden. In Deutschland gibt es eine Arbeitsgruppe von wissenschaftlich tätigen Ärzten, die sich mit dem CUP-Syndrom befassen. Sie sind in der AG CUP-Syndrom der AIO in der Deutschen Krebsgesellschaft zusammengeschlossen.
 
 

Ursachen und Risikofaktoren

 

Mehrere Faktoren kommen dafür in Frage, weshalb der Ursprungsherd des Tumors nicht unmittelbar zu finden ist:
  • Der Tumor ist zu klein, um mit den üblichen Diagnoseverfahren erkannt zu werden. Man stellt sich das heute so vor: die Stammzellen des Primärtumors teilen sich sehr langsam, nämlich so, dass sie sich praktisch nicht vermehren, während Tochterzellen als Metastasen in andere Organe vordringen und dort viel schneller wachsen.
  • Der Tumor ist zum Zeitpunkt der Diagnostik nicht mehr vorhanden. Dies kann z.B. durch Spontanremission geschehen (das bedeutet, dass der Primärtumor spontan durch den Organismus abgebaut wird, nachdem es aber bereits zur Absiedlung von Tochtergeschwülsten (Metastasen) gekommen ist, die bestehen bleiben). Möglich ist dies auch, wenn der Primärtumor unbemerkt entfernt wurde, z.B. als scheinbar harmlose Hautveränderung oder als (Darm-)Polyp.
Wird der Primärherd gefunden, befindet er sich mit einer Häufigkeit von 20-30% in der Lunge. In 10 bis 20% der Fälle liegt er in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Aber er kann in fast allen Organen in deutlich geringerer Häufigkeit vorkommen, z.B. in der Leber, dem Darm, der Gallenblase, einer Niere, im Magen, in den Eierstöcken, der Gebärmutter, der Schilddrüse usw. Organe, die sonst häufig Sitz eines Tumors sind, wie Dickdarm, Prostata und Brustdrüse sind jedoch nur selten Ausgangsherd der Metastasen beim CUP-Syndrom.

Primärtumore metastasieren vorzugsweise in bestimmte Organe. Außerdem weisen Metastasen oftmals eine ähnliche Gewebestruktur auf wie der Primärtumor. Beispiele dafür finden sich in der folgenden Tabelle:


Ort der Metastasen Vorzugsweiser Sitz des Primärtumors
Halslymphknotenmetastasen Kopf-Hals-Tumoren
Lymphknotenmetastasen oberhalb des Schlüsselbeins (supraklavikulär) Bei Männern häufig Lungenkrebs, bei Frauen auch Brustkrebs. Es kommen aber auch Krebserkrankungen der Bauchorgane u.a. in Betracht
Lymphknotenmetastasen in der Achselhöhle Bei Frauen häufig Brustkrebs, bei Männern eher Lungenkrebs
Lymphknotenmetastasen in der Leiste Peniskrebs, Vulvakrebs, Gebärmutterhalskrebs, Krebs von Enddarm und After, Hautkrebs im Bereich der unteren Extremität (Bein und Fuß)
Lebermetastasen Krebserkrankungen der Verdauungsorgane, Lungenkrebs, Brustkrebs, u.v.a.
Knochenmetastasen Krebserkrankungen von Lunge, Brust, Schilddrüse, Prostata, Niere, Magen, u.a.
Lungenmetastasen Brustkrebs, Knochenkrebs, Nierenkrebs, u.v.a.

 

 

Symptome

 

Leidet ein Patient an einem CUP-Syndrom, hängt das Bild seiner Beschwerden davon ab, welche Organe befallen sind – also von dem Muster der Metastasierung. Genauso wichtig ist das Stadium, also die Ausbreitung der Erkrankung und die gesamte Menge an Tumorzellen.

So führt ein ausgedehnter Befall häufig zu Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit, Antriebsarmut, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme.

Ein lokal begrenzter Befall führt zu Beschwerden am befallenen Organ, z.B. zu einer derben Schwellung bei Lymphknotenbefall, umschriebenen Schmerzen bei Knochenbefall, Husten oder Atembeschwerden bei Lungenbefall usw.. Tochtergeschwülste im Kopf können zu Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen führen, aber auch zu Ausfällen bestimmter Hirnfunktionen (z.B. zu Lähmungen, Sprachstörungen oder Verwirrtheit).

Schmerzen können auch ein unspezifisches Symptom sein und an vielen Stellen im Körper auftreten. Immer wieder bleiben Metastasen auch lange Zeit symptomlos und werden zufällig bei Routineuntersuchungen entdeckt.
Siedeln sich Tumorzellen eines unbekannten Primärtumors am Bauchfell an, kann es zur Entwicklung einer Bauchwassersucht (Aszites) kommen. Diese äußert sich durch eine Zunahme des Bauchumfangs mit Völlegefühl, Schwierigkeiten beim tiefen Atmen und häufig durch Verlust des Appetits. Siedeln sich Tumorzellen am Rippenfell an, wird Wasser im Brustkorb gebildet (Pleuraerguss). Typische Beschwerden sind Atemnot und Schwierigkeiten beim Durchatmen.
 
 

Diagnose

 

Die Suche nach dem Primärherd ist bei der Diagnostik von CUP von wegweisender Bedeutung. Folgende Untersuchungen werden durchgeführt:
  • Gründliche körperliche Untersuchung
  • Blutuntersuchungen (z.B. Leber-, Knochen- oder Nierenwerte, Tumormarker etc.)
  • Speichel-, Urin- und Stuhluntersuchungen
  • Feingewebliche Untersuchung einer Gewebeprobe aus der Metastase (Biopsie)
  • Bildgebende Untersuchungsverfahren, wie Röntgen- und Ultraschalluntersuchungen, Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) , PET-CT (Positronenemissionstomographie)
Besonders wichtig sind die Ergebnisse der Gewebeprobe:
  • Art und Aussehen der Zellen geben Aufschluss über die Art des Tumors
  • Spezialfärbungen (Immunhistochemie) geben regelhaft weitere Hinweise
  • Untersuchung von Genexpressionsprofilen („molekulares Tumorprofil“) sind in der Entwicklung und können weitere Informationen über den möglichen Primärtumor geben
  • In vielen Fällen sind die Ergebnisse der Gewebeprobe wegweisend für die spätere Behandlung!
Weitere häufigeUntersuchungsmethoden sind:
  • endoskopische Untersuchungen des Hals-Nasen-Ohren-Bereichs, der Atemwege, der Speiseröhre und des Magen-Darm-Trakts,
  • nuklearmedizinische Verfahren (wie z.B. Skelettszintigraphie
Dennoch bleibt in ca. 50-70% der Fälle die Suche nach dem Primärherd erfolglos (!).

Erst wenn kein Primärtumor gefunden wurde spricht man vom CUP-Syndrom. Die mit den o.g. Untersuchungen gesammelten Informationen ermöglichen eine fundierte Therapieentscheidung.
 
 

Therapie

 

Grundsätzlich stehen für die Behandlung des CUP-Syndroms die operative Therapie, die Chemotherapie, die sogenannte ‚Zielgerichtete Therapie‘, die Strahlentherapie und die Hormontherapie zur Verfügung. Die Therapie richtet sich nach der Art des durch die Gewebeprobe gesicherten Tumorgewebes, nach dem Ausmaß und der Lokalisation der Metastasierung nach der Art des möglichen Primärtumors und nach dem Allgemeinzustand des Patienten.

Einzelne oder auf einen Ort beschränkte Metastasen werden in der Regel durch eine Operation und/oder eine Bestrahlung behandelt. Bei Vorliegen mehrerer Metastasen an verschiedenen Orten wird häufig eine Chemotherapie durchgeführt. Die Art der Chemotherapie hängt von den befallenen Organen, den Tumoreigenschaften in der Gewebeprobe, den individuellen Risikofaktoren des Betroffenen und von Alter und Geschlecht ab. Bei hormonempfindlichen Tumoren kann, ähnlich wie bei Brustkrebs oder Prostatakrebs, eine Antihormontherapie eingesetzt werden. Bei deutlichen Hinweisen auf Lungen-, Leber-, Dickdarm- oder Nierenkrebs können zielgerichtete Therapien mit Tyrosinkinasehemmern (Tabletten) oder Antikörpern (Infusionen) angewendet werden. Zielgerichtete Therapien befinden sich beim CUP-Syndrom in der Erprobung (wissenschaftliche Behandlungsstudien). Schmerzhafte Metastasen können in vielen Fällen mit Strahlentherapie behandelt werden. Bei Knochenbefall ist die zusätzliche Behandlung mit Bisphosphonaten (Medikamenten zur Knochenstärkung) oder neuerdings auch Antikörpern häufig sinnvoll. Die Therapie von krankheitsbezogenen Beschwerden gehört unabhängig davon immer dazu.

In weit fortgeschrittenen Stadien oder bei schlechtem Allgemeinzustand konzentriert sich die Behandlung in erster Linie darauf, Beschwerden zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und Komplikationen zu verhindern.
 
 

Prognose

 

Die Lebenserwartung ist bei der Vielzahl der unterschiedlichen Möglichkeiten des Krankheitsbildes beim CUP-Syndrom individuell sehr unterschiedlich. Sie reicht von möglicher Heilung bis zu einer Lebenserwartung von nur wenigen Wochen. Wichtig ist die Kenntnis klar abgegrenzter prognostischer Gruppen, die zudem auch einer spezifischen Behandlung bedürfen:


Halslymphknotenmetastasen eines undifferenzierten oder Plattenepithelkarzinoms Therapie wie bei Kopf-Hals-Tumor mit Lymphknotenmetastasen: Operation und/oder Bestrahlung, manchmal kombiniert mit Chemo- oder Antikörpertherapie.
Einzelne Organmetastase oder Befall nur einer Lymphknotenregion Operation oder Strahlentherapie, ggfs. adjuvante (uunterstützende) zusätzliche Therapie
Faktoren für Keimzelltumor außerhalb der Hoden: (jüngere) Männer, Befall von Lymphknoten, erhöhtes AFP oder ß-hCG Therapie wie metastasiertem Hodentumor; intensive Chemotherapie
Lymphknotenmetastasen in der Achselhöhle bei Frauen Therapie wie bei Brustkrebs mit Lymphknotenmetastasen (Operation, Bestrahlung, meist Chemo- und Hormontherapie)
Befall des Bauchfells durch ein Adenokarzinom (spezielle Krebsart) bei Frauen Therapie wie bei Tumor der Eierstöcke; Operation oder Chemotherapie
Neuroendokrine wenig differenzierte Karzinome (das lässt sich bei der Untersuchung der Gewebeprobe feststellen) Therapie wie bei kleinzelligem Lungenkrebs; Chemotherapie
Neuroendokrine gut differenzierte Karzinome = NET (das lässt sich bei der Untersuchung der Gewebeprobe feststellen) Spezifische Therapie; wie bei NET mit bekanntem Primärtumor
Metastasen eines dickdarmtypischen Tumors (das lässt sich bei der Untersuchung der Gewebeprobe feststellen) Therapie wie bei metastasiertem Darmkrebs
 
 
In diesen Gruppen ist die Lebenserwartung günstiger als bei der Mehrzahl der Betroffenen mit CUP-Syndrom und kann mehrere Jahre betragen oder es kann sogar eine Heilung erreicht werden.

Die Mehrzahl der Patienten fällt aber nicht in eine dieser Gruppen. Dann ist in den meisten Fällen eine Chemotherapie sinnvoll. Die Lebenserwartung liegt im Mittel bei 6 bis 13 Monaten, nach einem Jahr leben nur noch ca. 25bis 40 % der Patienten. In Einzelfällen ist aber auch ein Langzeitüberleben über mehr als 5 Jahre möglich.



Quellen:
G. Hübner, S. Frick, A. Schmieder: CUP-Syndrom, in: W. Dornoff, F.-G. Hagemann, J. Preiß, A. Schmieder (Hrsg.): Taschenbuch Onkologie 2010: Interdisziplinäre Empfehlungen zur Therapie 2010/2011, Zuckschwerdt Verlag 2010, S. 97-101
H.-J. Schmoll. K. Höffken, K. Possinger (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie, Springer Verlag 2006
Robert Koch-Institut (Hrsg.): Krebs in Deutschland 2005/2006. Häufigkeiten und Trends, Berlin 2010



Aktualisiert am: 19.01.2014